6. Juni 1995 - Dienstag - Tag 18 |
||
| New Mexico |
Santa Fe ~27°C Santa Fe › Gallup
330,7 miles - 532,2 km Santa Fe
Nach zwei Tagen mit kaltem Kakao setzen wir heute wieder den Gaskocher in Gang. Bei nur mehr 15 °C braucht man schon etwas Warmes im Magen, um für die Stadtbesichtigung fit zu sein. Santa Fe, die Hauptstadt des Bundesstaates New Mexico, liegt an einem Zufluss des Rio Grande am Südwestabhang der landschaftlich sehr reizvollen Sangre de Cristo Range. Malerische Straßen und Gässchen, niedrige Häuser im Adobe-Stil, schöne Sakralbauten der spanischen Kolonialepoche aber auch das angenehm trockene Höhenklima locken seit vielen Jahren zahlreiche Touristen an. Dazu zählen auch vier Steirer, also wir. In dieser Stadt findet man auch ein überreiches Angebot indianischen Kunsthandwerkes und zeitgenössischer Kunst. Auf unserem Streifzug durch die Innenstadt von Santa Fe finde ich immer mehr Gefallen an der Stadt. Sollte ich irgendwann in die USA auswandern wollen, dies wäre ein geeigneter Platz für mich. Zurück am Campingplatz schlage ich im Souvenirladen zu und kaufe mir noch T-Shirts und Geschenke. Unsere Reise geht jedoch weiter in die Einsamkeit von New Mexico und zurück in die Vergangenheit. Über die State Route 44 (seit 1999 US-550), an der wir kurz vor Cuba eine kurze Mittagspause einlegen, gelangen wir bis Nageezi. (Alamo, bitte nicht weiterlesen ) Hier verlassen wir die asphaltierte Straße. Wir müssen die nächsten 20 Meilen auf einer nicht befestigten Straße weiterfahren, denn wie sonst kämen wir zum
Doch im Parkgebiet haben wir wieder Asphalt unter den Rädern. Was treibt uns eigentlich hierher? Gerippe mächtiger Steinbauten ragen in den Himmel über der Wüste. Einst waren sie die größten und höchsten Gebäude Nordamerikas. Sie umfassten 650 Räume auf einer Grundfläche von 200 mal 100 Metern, und die Schritte und Stimmen tausender Menschen hallten in ihren weitverzweigten Gängen. Heute liegt über allem gespenstische Stille. Die Landschaft ringsum ist öd und karstig. Der verlassene Pueblo Bonito gehört zu den Ruinen einer Indianerkultur im Chaco Canyon, dem wohl berühmtesten archäologischen Rätsel Nordamerikas. Als verblüffte weiße Entdecker gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf die frühen Wolkenkratzer stießen, waren deren Bewohner längst verschwunden. In der Umgebung der Pueblos im Chaco Canyon waren weder Bäume für Bau- und Feuerholz noch Felder für die Ernährung so vieler Menschen zu finden. Wie also konnten diese Menschen überleben? Die heutigen Bewohner der Gegend, Navajo, wissen nichts über die Erbauer der Pueblos. Sie gaben ihnen lediglich den Namen „Anasazi“: die Ahnen. Archäologische Studien der vergangenen Jahrzehnte vermehrten eher die Fragen, als Antworten zu finden waren. Zuerst ließ sich nur feststellen, dass die Gebäude zwischen 850 und 1130 n. Chr. errichtet wurden. Dann brach die Bautätigkeit abrupt ab. Die Anasazi verwendeten für ihre Dachkonstruktionen Holz. 200.000 Balken aus Nadelbäumen stützten die Decken der Stadt. Doch wie wurde das viele Holz herbeigeschafft? Des Rätsels Lösung lieferten schließlich die Jahrhunderte lang erhalten gebliebene Nester der zur damaligen Zeit bereits ansässigen Bergratte. Die Ergebnisse der Nachforschungen waren erstaunlich. Denn die Anasazi besiedelten im 10. Jahrhundert keineswegs ein Ödland, sondern Waldland mit Pinyonkiefern und Wacholderbäumen. Doch durch die starke Nutzung der Wälder und das langsame Wachstum der Vegetation wurde mit der Zeit der Wald abgeholzt. Der Kahlschlag zerstörte das ökologische Gleichgewicht im Chaco Canyon, der Grundwasserspiegel sank und die Felder trockneten aus. Um 1150 schließlich gaben die Anasazi den Kampf auf und verließen ihre Pueblos, die sie mit so großem Aufwand errichtet hatten. Andere Quellen hingegen berichten von einem kriegerischen Eindringen von Bewohnern aus dem nicht sehr weit entfernten Mesa-Verde-Gebiet. Jedenfalls währte die Kultur nur etwa 300 Jahre. Unsere Streifzüge bringen uns zu den Gebäuden von Chetro Ketl und Pueblo Bonito, ehe wir noch im Besucherzentrum vorbeischauen. Während wir so durch das Gebäude und die Buchabteilung schlendern, bekommt Ulrike fast einen Schock, und das nur, weil sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck HAK Judenburg trägt. Sie wird doch tatsächlich auf deutsch angesprochen: „Sind Sie wirklich aus Judenburg?“ Da fährt man um die halbe Welt, ist mitten in der Wildnis, weit weg von der Zivilisation und trotzdem trifft man immer wieder Leute aus der Heimat. Die nächsten 20 Meilen müssen wir wieder auf einer Sandpiste zurücklegen. Wir wurden schon gewarnt bzw. haben wir gelesen, dass man vorsichtig fahren soll, denn zwischendurch gäbe es abschnittsweise spitze Steine auf der Straße. So einen Stein dürften zwei kanadische Frauen erwischt haben, denn sie stehen mit ihrem Wagen und einem Reifenschaden neben der Piste. Es scheint, dass wir gerade zur rechten Zeit vorbeikommen. Unsere beiden Techniker Martin und Reinhard nehmen sich dem Problem an. Dafür greifen sich Ulrike und ich abwechselnd die Videokamera, denn dieses Ereignis muss auf Film festgehalten werden. Und während die beiden Mechaniker den Reifen wechseln, plaudere ich mit der Fahrerin, die meint, dass der Ersatzreifen eigentlich gar kein Reifen, sondern seinem Aussehen nach eher ein „Emergency Donut“ sei. Ich hoffe, dass die Truppe gut im Chaco Canyon angekommen ist. Wir ziehen weiter bis zum KOA-Campingplatz bei Gallup. Zur Feier des wunderbaren Tages nutzen wir heute die Küche des Campingplatzes und genießen verschiedene gebratene Fleischsorten und Hotdogs. Dazu werden Kartoffelsalat und warme Bohnen serviert. Die Nachtruhe auf einem ansonsten nicht ganz so berauschenden Campingplatz beginnt um etwa 22 Uhr, wieder bei kühler Luft. KOA Gallup (existiert nicht mehr) • Gallup - USD 25,75 |
||
« vorheriger Tag |